Ein kleiner Auszug aus der heute erschienenen Ausgabe der Zeit:
In einem Interview mit dem Medienwissenschaftler Dietrich Leder, erfährt der wissbegierige Leser, daß Afghanistan, Bin Laden und die Taliban gar nicht so von gestern sind, wie behauptet wird, und von der verhassten westlichen Welt eine Menge gelernt haben. Zumindest was das Inszenieren von Medienauftritten angeht, wie wir es in einer Videobotschaft Bin Ladens nach Beginn der Luftangriffe erlebten. Da stehen sie hinsichtlich einer dem Ziel, nämlich der Demonstration von Macht, bedingunglos ergebenen Symbolik ganz nah neben George W. Bush.
Leder auf den Einschub des Interviewers, besagte Videoansprache Bin Ladens erwecke doch einen völlig improvisierten Eindruck:
- „Im Gegenteil. Alle Bildbestandteile waren durchgestylt: die Tarnuniform als Zeichen der militärischen Disziplin, die Waffe griffbereit für die Gewalt, Kopftuch und Bart für die religiöse Überzeugung, die Armbanduhr, um zu signalisieren: High-Tech, der Felsen im Hintergrund als der unbekannte Ort des Unterwegsseins und das Mikro in der Hand als Mittel der Todespredigt.“
Leder weiter über die Funktion des Mikrofons, das Bin Laden in dieser Aufzeichnung fest umklammerte:
- „[…] Normalerweise werden heute Ansteckmikros gebraucht. Aber in Nachmittagsshows halten die Moderatoren ein Mikro ins Publikum, und wenn ihnen die Antworten nicht gefallen, nehmen sie es einfach weg. Wer das Mikro hat, hat die Macht. Bin Ladens Signal war: Ich bestimme nicht nur die Botschaft, ich bin die Botschaft, und ich bin derjenige, der sie in ihrem kompletten Design beherrscht. Er gibt eine Antwort auf eine Aktion, die er selbst noch gar nicht kennt. Womit er dann – wie beim Schach – dem Gegner signalisiert: Ich kann zwei, drei Züge weiter als du denken. Dazu benutzt er genau die Mittel, die in Ansprachen des amerikanischen Präsidenten verwendet werden, und lädt sie mit seinen Mitteln auf.“
Das ganze Interview ist hier nachzulesen.