Malkontent & Enthusiastisch

»Ihr naht Euch wieder, schwankende Gestalten«

  • Heaven ist die Geschichte von Filippa und Philippo. Eine Liebesgeschichte, die so wohl nur in der eigenen Phantasie spielen kann. Lola rennt, der Krieger und die Kaiserin waren ebensolche Geschichten.
    Heaven allerdings hat mich wirklich beeindruckt und zum ersten Mal war ich tatsächlich froh, in der dritten Reihe direkt vor der Leinwand zu sitzen. Cate Blanchet ebenso wie Giovanni Ribisi zeigen ein hervorragendes Minenspiel, das Tykwers Kameramann Frank Griebe in ganz fabelhafte Bilder umsetzt. Bilder, die formal unspektakulär, inhaltlich hingegen so tiefgehend sind, dass man glauben muss, solch eine Geschichte von Schuld und Vergebung, von Moral, kann gar nicht erzählt werden, schon gar nicht in Bildern. Biblischer Erzählstoff, Themen, die auch Tykwer nicht lösen wird. Will er auch nicht. Phillipos Vater, der seinen zum Mittäter gewordenen Sohn ins Angesicht schaut, bringt es auf den Punkt: „Warum kann man im entscheidenden Moment nie etwas tun?“

  • Was macht man an einem Tag, der nur aus Regen und Sturm besteht? Man nutzt den trockenen Moment, spurtet ins Antiquariat und legt zu den drei ungelesenen Büchern zwei neue hinzu.

  • Dass auch der Journalismus ein selbstreferentielles Teilsystem unserer Gesellschaft ist, lässt sich meiner Meinung nach nicht mehr so ohne weiteres unterschreiben. Denn dann würden z.B. Veranstaltungen wie die kürzlich abgehaltenen Mainzer Tage der Fernsehkritik (hier, hier, hier und hier) spätestens bei der nächsten oder übernächsten kriegerischen Auseinandersetzung Wirkung in der Qualität der Berichterstattung zeigen.
    Das war allerdings bei dieser oder ähnlichen Veranstaltungen noch nie der Fall. Zwar habe ich den Eindruck, dass selbst in den rund zehn Jahren, die seit dem zweiten Golfkrieg vergangen sind, die Berichterstattung vor allem im deutschen privaten TV besser geworden ist. Jedoch fehlen mir Aspekte (oder gar ganze Konzepte), wie sie z.B. bei Indymedia.org vorkommen. Meinungen oder Thesen, die mitnichten abseits vom Meinungstrom existieren, sondern einfach eine Debatte abrunden, wirklich kritisch sind, im konkreten Fall eben nicht unbedingte Solidarität leisten.
    Medien im Krieg scheinen grundsätzlich zum Scheitern verurteilt, zumindest, wenn sie kommerziell oder teilweise kommerziell organisiert sind oder einfach eine gewisse mediale Macht erlangt haben. Da können die MacArthurs dieser Welt noch so viel schreiben und in Mainz kann tagelang gutgemeinte Fernsehkritik betrieben werden.

  • Ja, richtig angekommen. Wie schon angekündigt: http://web492.can01.de/ ist solange die virtuelle Domain bis groscurth.com freigeschaltet ist. Ich hoffe, dass man von allen kommenden Änderungen (nutzerseitig) nichts mehr mitbekommt. Bookmarks sollten also erst in ein paar Tagen aktualisiert werden.

  • An der Fassade über dem Eingang des bereits gestern erwähnten Siegener Museum für GGW-Kunst prangt ein riesiger quadratischer Bildschirm, der dem pulsierenden Logo-Kubus des Museums Leben einhaucht. Ein eigenartig reizvolles Leben verschafft dem Klotz allerdings erst die tiefe Position des Betrachters und die dadurch erwirkten etwas schrillen Farbspiele, die sich wunderbar auf dem so oft regennassen Asphalt spiegeln.

    Hinter dem Bildschirm hingen bisher die Toten Hosen Andreas Gurskys. Die Fotografie eines Open-Air Konzertes der Düsseldorfer, dessen Format und Seitenverhältnis viel eher an ein Bildschirmmedium erinnert, als eben das erwähnte rückseitige Format. Die Hosen hängen seit einiger Zeit im Pariser Centre Pompidou, wo Gurskys „Altarbilder der Gegenwart“ momentan ausgestellt sind. In Siegen zu sehen ist daher „Avenue of the Americas, New York“. 200 x 350cm.

    Gursky Links und seine 99 Cent finden sich bei malorama.

    Leider ohne Bild. F2S sagt, dass die Platte des Servers voll ist. Zeit, sich hier zu verabschieden.

  • Demnächst werde ich übrigens mitsamt dem digitalen Hausrat umziehen. Vermutlich auf www.groscurth.com

  • Adress-Signatur einer E-Mail aus Wien: „Institut für systemisches Coaching und Training. Zielorientierte Entwicklung von Menschen, Teams und Unternehmen GmbH“

  • Kultur schillert. Zu sagen was sie genau ist, fällt zumindest mir schwer. Sinnstiftend ist sie, soviel steht fest. Welchen tieferen Sinn allerdings die gestrige Veranstaltung im Siegener Museum für Gegenwartskunst hatte, ist mir nicht ganz klar geworden. Der Video Club 99, ansässig in der Hamburger Kunsthalle, zeigte im Rahmen der „Intermedia: Kunst und Musik“ seine Reihe (tut mir leid) „Kunst-Musik-Video“.
    Wie gesagt, worin der Sinn dieser kruden Melange konzeptioneller Videokünste liegen soll ist mir nicht ganz klar. Eine These Baldessaris bleibt mir jedoch im Gedächtnis: „Perception is subjective“. Das ist sinnstiftend.

  • Ein Videoprojekt zieht mich gen Basel und zeigt sich dafür verantwortlich, dass ich, obwohl Karneval in deutschen Landen längst passe ist, um den organisiserten Frohsinn nicht herumkomme. Aber da in der Schweiz eh` vieles so ganz anders ist, lässt sich das dortige Fassnachtstreiben durchaus ertragen. Zudem gibt es in Basel und im deutschen Grenzgebiet schöne Sitten und Bräuche, die an dieser Stelle Erwähnung finden sollen.

    Feurig geht es vor allem in Liestal (sprich Lieschtel) zu, wo abends Trommler und Flöter riesige Feuer ankündigen, die auf stählernen Wagen lodern die durch die Altstadt gezogen werden. Tausende, die am Rand stehen (wahrscheinlich sind in der ersten Reihe nur unwissende Touristen zu finden) verbrennen sich den Pony und die Nase, wenn die brennenden Gefährte auch nur in ihre Nähe kommen. Die Feuerwehr steht dabei Spalier und äugt ein wenig misstrauisch auf die Fassaden der Altstadt, denn die Flammen der größten Wagen schlagen gut und gerne 10 Meter hoch und räuchern so manche Wohnung nachhaltig ein. Zwischen den Wagen laufen immer wieder dick vermummte Schweizer mit den Chienbäsen, die dem Brauch den Namen geben, umher. Chienbäse sind mitteldicke Stämme, die über der Schulter getragen werden und an deren Ende Holzscheite befestigt sind, sodass sie an einen riesigen hölzernen Pinsel erinnern. Ab und zu machen sich die Besenträger einen Spass, beginnen zu rennen und sich gefährlich schnell zu drehen, dass die Funken stieben und die Glut in bester Grillmanier nochmal richtig durchheizt. Ich bin gespannt auf die Fotos, die hier demnächst bestimmt zu sehen sind.

    An eine primitive Driving Ranch fühlt man sich hingegen erinnert, wenn man die Grenze nach Deutschland passiert und einen der Lörracher Hausberge erklimmt. Dort brennen zur Fasnacht riesige Feuer – unabdingbar, um ein echtes Feuerscheibenschießen zu veranstalten. Wie gesagt, es handelt sich scheinbar um den uralten Vorläufer einer modernen Driving Ranch. Wir befinden uns also auf einer hanglagigen Wiese. Ein Pfosten und eine darauf befestigte Bohle bilden ein Rampe, die hangabwärts gerichtet ist. Dies ist der Abschlag. Zuvor nimmt man eine Feuerscheibe, etwas vereinfacht gesagt, ein zentimeterstarker, hölzerner Biedeckel. In der Mitte mit einer Bohrung versehen. Die Feuerscheibe wird mit dem Loch auf eine etwa zwei Meter lange Weidenrute gesteckt. Gerade so, dass vielleicht die obersten zwei, drei Zentimeter der Rute durch in der Bohrung stecken. Anschließend hält man Rute samt Scheibe ins Feuer bis sie zu brennen beginnt. Man nimmt sie heraus und stellt sich neben die Rampe, visiert so, dass die glühende Scheibe, durch die Rute geschwungen, mittig auf die Rampe trifft. Wenn man die Rampe optimal trifft löst sich die Scheibe und fliegt wirbelnd gen Tal. Und sie fliegt weit, wirklich weit. Gute 150 Meter sind bestimmt keine Übertreibung. Ein irres Bild wenn gleichzeitig auf fünf Rampen angeschlagen wird.

    Mittlerweile ist es halb eins in der Nacht, man riecht wie ein Räucherschinken, ist stundenlang auf den Beinen und die Basler Fassnacht hat noch nicht einmal begonnen. Die beginnt nämlich mit dem Morgenstraich um Schlag vier in der Nacht. Wir finden uns also auf dem zentralen Markplatz ein und um uns das Warten zu verkürzen haben die Stadtwerke ein Einsehen und schalten die komplette öffentliche Beleuchtung ab – eine Minute zu früh, wie der Baslerstab mitteilt. Aha. Jetzt ist allerdings eh` alles egal, denn ab nun sind eigentlich nur die typischen Pfeiffer und Trommler zu hören, die vollkommen chaotisch durch die Gassen ziehen. Dabei achten sie genau darauf immer Gegenverkehr zu haben, was bei den anwesenden Menschenmassen die Sache und das freie Bewegen nicht gerade erleichtert. Stil hat der Morgenstraich auf alle Fälle. Die Gruppen sind wirklich toll verkleidet. Die einzige Beleuchtung in der völlig dunklen Altstadt sitzt auf den maskenverkleideten Köpfen der Musikanten, von denen jeder eine Art Lampion auf dem Kopf trägt. Sehr schön, sehr gespenstig.

    Unsere Nacht endet so gegen sechs/ halb sieben. Zuvor überhitzt von zuviel Feuer ringsum, nun mit erfrorenen Füßen. Endlich ein Bett aber nur wenige Stunden Schlaf, denn traditionelle Umzüge gibt`s auch in Basel. Also: raus aus der Schweiz, rein in die Schweiz. Mittags um zwei wieder auf dem Markt, diesmal etwas höher auf dem Prunkbalkon oberhalb des Mövenpicks. Wir drehen ja `nen Film, da lädt man uns nett ein, um von oben besser zoomen zu können. Dann filmt man so den Umzug und findet eigentlich nur drei Sujets, wie man dort für Mottowagen sagt. Basler Lokalpolitik, Swissair-Pleite und immer wieder grinsende Kiffer-Sujets. Manche freuen sich so über die gewonnene Legalisierung, dass auf dem Motto-Wagen massenhaft Homegrown-Verschnitt verfeuert wird. Lustig und geschmacksintensiv.

    Wer den Hals nun noch nicht voll hat stellt sich direkt an den Zug. Pfiffige Schweizer – wer hat`s erfunden? – funktionieren Häckslermaschinen um, montieren sie auf dem Wagen und pusten den Massen kiloweise Konfetti in den Rachen. Unser Hals ist bereits voll. Kameraequipment zusammengepackt, letzte Etappe – Kneipentour. Die nüchternste, die ich je erlebt habe. Ein mittelgroßes Pils für 7 Mark? Lieber nicht. Dafür viel Schbass. Kamerakind und Chefmusiker Hannes jazzt mit seiner Kombo quer durch die Basler Kneipen. Riesen Stimmung und eine nette Abwechslung zu allgegenwärtigen Guggemusig. Mädels hüpfen auf die Tische, die Wirte verteilen Freibier an die Musikanten. Nach der siebenten oder achten Kneipe klink ich mich aus und leg die Beine hoch…

  • Back from Switzerland – bald mehr.