Surf`s Up. Warum definiert sich mein Bild von Österreich weniger über Haider, die FPÖ oder Erinnerungen an Familienurlaube in Kärnten als über eine Handvoll wirklich fähiger Künstler feiner elektronischer Musik?
Klar, Kruder & Dorfmeister hört man allenthalben, sind auf verschiedenste Samplern gepresst und vertreten sicherlich ein mittlerweile populäres Genre. Vielleicht ist auch dies ein Grund, dass Dorfmeister dann und wann bei den Sofa Surfers mitmischt, die vor allem Frickeleien und Bässe ganz anders interpretieren als die zahlreichen, immer chillenden Sofa DJs.
Die Sofa Surfers hingegen vertreten eher eine stark kopfnickende Fraktion, sind mit Kreidler zu vergleichen, um die Grenzen Österreichs nicht zu verlassen.
Der Weg nach Aschaffenburg, für mich immerhin 170 Kilometer und für Markus aus Dortmund noch mal ein ganzes Stück weiter, wird auf jeden Fall kurz, wenn derart nette Musik zu erwarten ist. Nett übrigens auch das Publikum, bei solchen kleineren Veranstaltungen fast schon Usus. Eigentlich nur sympathische Leute; von Mitte zwanzig bis Mitte vierzig ist eigentlich jede Couleur vertreten.
Wie die Musik war? Meiner Meinung nach sind Sofa Surfers live eher eine Art Performance. Also Bass, Gitarre, Schlagzeug, Plattenteller, Frickel-Geräte (wie heißt so etwas?), ein Vocalist, der Fela Kuti heißt und die obligatorischen Ragga-Phrasen drischt, sowie Viduk, einem begnadeten Videokünstler, der den Auftritt der Surfers zu einer echten Multimedia-Performance macht.
Das Konzert läuft erwartungsgemäß schwerfällig an. Nicht, weil in irgendeiner Art musikalische Langeweile aufkommt, sondern weil die Musik einfach so ist. Die Beats, Schlagzeug und Percussion-Output aus dem Rechner – perfekt eingespielt – prägen eben die Wiener Sofa-Beats. Dopebeats, wie man den Kritiken der Rezensionen entnimmt. Etwas klischeehaft, trifft aber den Nagel irgendwie mitten auf den Kopf. Die einzelnen Stücke, überwiegend aus der neuen „Encounters“, bilden ein einziges Set, das mit überwiegend 1a Übergängen erfreut. Absolut harmonisch zur Musik ist Viduks visuelle Metropolen-Ästhetik auf der Leinwand im Hintergrund, die legitime Fortsetzung avantgardistischer Montagetechniken a la Eisenstein und Pudovkin. Perfekt angepasst an die Stakkato-Rhythmik von Break- oder Bigbeat.
Medienkulturell echt interessant und vor allem endlich ein Ende der Grabenkämpfe zwischen handgemachter und elektronischer Musik – eine Diskussion, die für mich fast genauso langweilend ist, wie die zwischen Mac und PC-Besitzern – ist die Art wie Analoges und Digitales fusioniert und dabei einfach Neues bei herauskommt. So gehört beim letzten Stück, des Konzerts: „Can I get a Witness“ in einer sehr viel längeren Version als auf Encounters, mit der Off-Stimme von Dawna Lee, wunderschöner Gitarre, Bass und Schlagzeug, die dann, wenn die Plattenversion endet, so harmonisch von akustisch/ analog ganz langsam in elektronisch/ digital hinüber fließt. Zunächst Dawna Lees Stimme leicht verzerrt, dann gesamplet und immer weiter „bearbeitet“, parallel dazu wird das Schlagzeug ergänzt durch Computer geschaffene Beats, gescratche dazu; die Gitarre bleibt wie sie war – und dreht sich um zu dem Pult mit den vielen Reglern und den vielen Knöpfen. Dem Kopf und dem Herz der Sofa Surfers.