Aus Mr. Bowfinger, am Sonntag auf RTL zu sehen, kann, wer will, mehr als einen durchschnittlichen Hollywood Klamauk lesen. In dem Film dreht eine hoffnungsloses Produktionsteam einen Streifen – ohne Hauptdarsteller. Der reale Schauspieler, Eddy Murphy spielt tatsächlich einen erfolgreichen Schauspieler, würde jedoch in der erwähnten banalen Produktion nicht mitspielen. Das Filmteam aber dreht mit versteckter Kamera. Lässt ihn mit den „echten“ fiktiven Schauspieler in seiner Realität (der des erfolgreichen Schauspielers) begegnen. Was er verständlicherweise nicht begreifen kann. Das ist aber auch egal, denn der B-Movie wird am Ende ein Erfolg. Die bewusste Überschneidung von Fiktion und Realität funktioniert.
Verfolgt man die jüngste Heckenschützen-Hype, so stellt sich die Frage, inwiefern hier Journalismus oder eben die Gelegenheit zur Umsetzung x-mal erprobter fiktionaler Skripte genutzt wird. Opfer, Täter und die Polizei, respektive das FBI, stellen im Nachrichtenjournalismus A.D. 2002 standardisierte Charaktere dar, an die uns das Fernsehen in meist simpel strukturierten Plots über Jahre gewöhnt hat. Das Publikum hockt gebannt vor dem TV. Keiner der großen US Nachrichtensender hatte je dermaßen hohe Quoten. OJ Simpson vom Helicopter live übertragene Flucht auf dem Highway war der Prototyp dieses actionreichen Reality/ Fiktions Plots. Diesen mit Bild und Ton einzufangen, ist heute keine Schwierigkeit mehr. Vermutlich ist in einigen Jahren die technische Verzögerung auf den Übertragungswegen die größte Bremse der Live-Bilder.
Nächste Kritik: Die 24-Stunden Liveübertragung aus dem Moskauer Musicaltheater. Der schmale Grad zwischen Leben Tod von 800 Menschen führt durch Millionen von Wohnzimmern auf der ganzen Welt. Ohne Zeitverlust. Plädieren die Medien bald für die Aufhebung der Zeitzonen ? Prime-Time überall zur gleichen Zeit. Das wirklich „echte“ Live-Erlebnis. Vollendet in einem Telefoninterview einer Radioreporterin mit einer Geisel, die gerade die Erstürmung des Gebäudes schildert – sie musste glauben, in wenigen Augenblicken zu sterben. Sie telefoniert dennoch mit dem Radio. Sitzt hinter verriegelten Türen, in ihrer Nähe die Tschetschen, von denen sie nur ahnen kann, was sie tun werden, wenn gestürmt wird. Sie fleht die russische Regierung über Telefon und Radio an, nicht zu stürmen, ihr das Leben zu lassen. Natürlich hören Sie sie nicht. Sie hofft es, verfolgt jedoch während des Gesprächs irgendeinen Nachrichtensender, der ihr das äußere Bild liefert. Die Spezialkräfte beginnen mit dem Sturm des Theaters. Persönliches und kollektives Schicksal – medial vermittelt und somit allen Menschen zugänglich. Gleichzeitig fallen Schüsse, wird das Gas eingelassen. Sie weiß nicht, was da passiert. Ihre Schilderung aus dem Inneren komplettiert das äußere Bild zum Gesamten – freilich nur für den Fernsehzuschauer. Nicht für die Gefangenen. Nicht für die wartenden Angehörigen. Die Geiseln verlieren das Bewusstsein. Was schreit nach einem Werbeblock. Have a break, have a… (nachträglich editiert am 30.10.)