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Sehr aufschlußreiche Kritik von Georg Seeßlen, der die ‚Sturmflut‘ und andere jüngere Miniatur-Epen Revue passieren läßt. Da werden einerseits die konventionalisierten Motive (aus dem unendlichen Reservoir der Ideologeme und Theoreme) durchdekliniert und somit recht anständig eine Analyse der Populär-Erzählung vorgetragen. Andererseits wäre Seeßlen nicht Kritiker, wenn er der ersten Deutung nicht noch die Sahnehauben-Deutung hinzufügt und die ‚Sturmflut‘ als politische Strategie der beliebten Berliner Republik entlarvt:
»Die Sturmflut bedient sozusagen mechanisch alle Elemente der Katastrophenphantasie und lädt sie durch merkelianische Harmonie-Versprechen auf. Der nächste Schritt liegt nahe und wird blitzrasch auch unternommen. Es geht um die Übertragung der Modelle der Katastrophenphantasie auf die Vergangenheit. Immer wieder wird die Frage nach der Tapferkeit gestellt, um „das Andere“ zu vergessen. Das Andere in den Weltkriegen (von denen auch in Die Sturmflut immer wieder die Rede ist), das Andere im Faschismus. Wasser (Die Sturmflut), Feuer (Dresden), Luft (Die Luftbrücke) – fehlt nur noch die Erde um das große Epos von Opfer und Wiedergeburt auf der Ebene des Event-TV zu vollenden. Aus der Katastrophenphantasie ist das neue Deutschland, das Deutschland von Merkelianismus und Großer Koalition wiedergeboren.«
Verstehen sie mich nicht falsch; Seeßlen bietet in der Regel ja eindrucksvolle Kritiken. Seine Art sich in den Diskursen zu halten entspricht einem zähen Interesse, das in den Mainstream-Kritiken der Groß-Feuilletons kaum zu finden ist. -
Schon allein, weil Random Items den Trackback mal wieder angeschmissen haben (man kann sich so gegenseitig schön auf Trab halten), Und weil Kluge eine so unendlich integre und warmstimmige Person ist: Ein paar Quick&Dirty-Anmerkungen zu Stollmanns Text, der – soweit ich das sehen kann – Kluge in die medientheoretische Diskussion zu hieven versucht.
Vielleicht muß man jedoch darüber nachdenken, ob der universale Kluge solche Hebearbeiten gebrauchen kann: Die ‚realistische Methode‚ – also die Bedienungsanleitung zur praktischen Medienarbeit – läuft ja in fast unglaublicher Konsequenz und zumindest in den Medien Buch, Film und Fernsehen rund und nach stets dem selben Prinzip.
Wenn Stollmann nun Aussagen zum materialistischen/ mediensystemischen Dispositiv zusammenträgt muß sich das Ganze ja konsistent zur ‚realistischen Methode‘ verhalten. Die Strukturen der materialen Seite müßten also in der Lage sein, jene als Struktureffekt zu produzieren; sie also einzuschließen.
Jetzt beginnt allerdings Kluge/Negts Oper. Die Sache nimmt nämlich dramatische Form an, insofern als daß wir einen niedergehenden Helden benötigen. Also zum Beispiel das Ideal des ‚Dialogs‘ (plus ‚unmittelbare Erfahrung‘ und ‚klassische Öffentlichkeit‘) an dem sich letztlich alle anderne Medientypen messen lassen müssen. Und vor dessen normativ/idealer Grundierung alle anderen auch materialen Medien eigentlich ja nur als Verfall durchgehen können.
Hier ist offensichtlich an herrschaftsfreien Diskurs zu denken, der bei Habermas ein ähnliches Ideal ausmacht, das so praktiziert in der Lage ist, die Strukturen der Öffentlichkeit zu drehen. Dort wo bei Habermas die kritische Theorie stoppt macht Kluge mit Enzensbergers ‚Bewußtseinsindustrie‘ wohl weiter. Fortan will mir nicht ganz klar werden, ob denn nun über Materialitäten und Systeme oder über bloße immaterielle Mittel/ Mittler diskutiert wird. Einerseits also die ganze Schiene um Produktionsmittel und -Öffentlichkeiten (Medien sind die Fortsetzung des industriellen Prozesses; ihr Einsetzen kommt dann schon recht spät) ; der andere Strang gehts direkt ins Bewußtsein und ist insofern ahistorisch denkbar. Hier brauchen Kluge/Negt wohl eine Vermittlung zwischen einer generellen medialen Qualität einerseits und der spezifischen Selektivität des industriellen Prozesses, die das Umschlagen der Qualität von gut nach schlecht legitimiert.
Da bietet sich das ‚TV‘ an: Hochentwickelte Produktionsmittel und -Öffentlichkeiten, vorerst letzter Schub in Kluge/Negts Globalisierung-Quadrupel, Regeneration der Arbeitskraft über Berieselung und harmlose Zerstreuung im hegemonialen Diskurs etc. Und wie zu erwarten haben in der Oper ‚Öffentlichkeit und Erfahrung‘ am meisten zu leiden. Beide sind vom ‚TV‘ verschütt gegangen. Eigentlich sind das doch generelle Effekte der materialen Struktur; es gibt paradoxerweise kleine Fenster zudem noch im Privat-‚TV‘. Dahinter wirkt die ‚realistische Methode‘. Solche Paradoxien handelt normalerweise systemtheoretisches; hier sieht die ‚realistische Methode‘ eine Lücke vor, die der Teufel läßt.
[edit: A.K. Realismusbegriff] -
Oh nein, und scusi zak; sie funktionieren nicht, gerade.
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Wow, das ist übrigens très très chic: Vollkommen Elektronische-Online-Ringvorlesung ‚Medien_Kultur_Geschichte‘ an der HGKZ.
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Auf dem wunderschönen Melatenfriedhof: »Die meiste Zeit seines Lebens verbrachte er in einer Kneipe neben diesem neoklassizistischen Säulenofen, worauf der Wirt dieses Denkmal errichtete.«
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Kontingenz en masse: »Mit der MRM erfahren Sie am Telefon, wie Sie augenblicklich Ihre Situation verändern können. In jeder Situation gibt es immer eine Lösung. Diese Lösung kommt in kurzer Zeit mittels Mentaler Resonanz Methode aus Ihrem Unterbewusstsein hervor.«
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