Stolz berichten die US-Militärs von immer präziseren Technologien. Der Anteil immer akkurater treffender Bomben steigt. Deren Anteil am gesamten Abwurf betrug im `91er Irak-Krieg 10%, im Kosovo 40%, in Afghanistan 60% und aktuell will man uns glauben machen, kommen so gut wie keine Zivilisten ums Leben. Wir werden es eh nie erfahren.
Angesichts der grünstichigen Live-Bilder, die gewaltige Explosionen im Bagdad zeigen, kommen jedoch Zweifel am chirurgischem Eingriff auf. Und diese Bilder sind immerhin solche, die den Weg von Bagdad ins Wohnzimmer schaffen. Wie mag es in Mossul, Tikrit und Basra aussehen, die ebenso wie die irakische Kapitale durchgehend bombardiert werden? Von dort erreichen uns lediglich Agenturmeldungen und ab und zu die funkverzerrte Stimme eines amerikanischen Korrespondenten. Können sie das bestätigen?
Nichts wird hier bestätigt. Das spärlich vorhandene Material wird von jedem interpretiert, der ein Mikrofon halten kann und die Maske auf dem Weg ins Studio erfolgreich passiert hat.
Die Berichterstattung der Öffentlichen und der Privaten unterscheidet sich durch so gut wie gar nichts von der `91er. Ausgedehnte Nachrichtenformate, die versuchen, sich mit dem Informationsmangel zu arrangieren. Moderatoren und Zuschauer erhalten gebühren- oder werbefinanzierten Nachhilfeunterricht in Kriegsführung und restriktiver Medienpolitik der Alliierten. Generäle a.D., Veteranen und schlicht „Militärexperten“ genannte geben sich mal prophetisch mal ahnungslos.
In waghalsig-fragilen Schaltungen wird das Korrespondentennetz an das Studio gebunden. Starren gemeinsam auf die Bildschirme. Kämpfen mit der Faszination des instanten Bildes und ihrer Berufung als Journalisten.
Was sollen sie anderes machen? Würden sie sich auf den symbolischen Tausch einlassen und ein Schwarzbild senden? Eine rhetorische Frage, selbstverständlich. Also mitmachen und der Allianz der Netzwerke beitreten. Mit dem Missstand umgehen. Die einzige journalistische Technik, die abverlangt wird, ist die des Lesens und des anschließenden Verproben der verlesenen Informationsquellen.
Was meiner Beobachtung zur Folge einer der wenigen Differenzen zu 91 ist. Durch die recht dichten Korrespondentennetze im Zentrum des Geschehens lassen sich Agenturmeldungen leichter als damals noch gegeneinander verproben. War CNN vor 12 Jahren der einzige Sender, der, von den USA an der Hand geführt, aus dem Kriegsgebiet berichtete.
Frappierend empfinde ich die Tatsache, dass die fest installierten Kameras auf den Hoteldächern in Bagdad den Ton übertragen. Luftalarm, Detonationen und das vermeintliche All-Clear Heulen vermitteln für den Moment mehr Authentizität als die bekannten Bilder in Bagdadgrün.
Auch dieser Effekt wird der Entropie der Nicht-Information erliegen.
