In der Essener Friedrichstraße sitzt der rote Riese. Zumindest würde die „Welt“ ihn so beschreiben. Oder die „Bild“. Oder die „B.Z.“
Vor einigen Jahren saß ich in der benachbarten Kaufmännischen Schule 2 und ließ mich mit Verlagsfachkunde und Rechnungswesen imprägnieren. Keine besonders aufregende Zeit. Dafür ist mir die WAZ ein Begriff. Die leicht zu dechiffrierende Verlagspolitik und die Art Journalismus, die dort betrieben wird ebenfalls. Mit der WAZ bin ich groß geworden
Seit Leo Kirch sein Imperium vor die Wand gefahren hat, begehrt die WAZ seinen nicht unbedeutenden Anteil am größten deutschen Verlagshaus. Friede Springer versucht dies zu verhindern. Konservative Medienwissenschaftler, die das gewaltige Kartell-Monopol-Geschütz mit geahnter Leichtigkeit aus dem Keller zerren – und dies in der Bild kundtun – ebenfalls. Oder in der Welt. Oder in der B.Z.
Insgesamt riechen diese Verknüpfungen zwischen Politik und Medien nicht gut. Gewiss, Zeitungen schreiben sich mit ihren Redaktionsstatuten politische Grundsätze auf die Fahnen. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Entnazifizierungspolitik der Alliierten nicht unbeteiligt an der aktuellen (politischen) Presselandschaft. Die Lizenz zum Zeitungsdrucken wurde, etwas vereinfacht gesagt, nach dem Motto „Zwei rechts, zwei links, eine fallen lassen“ gemacht. Was korrekt war. Sobald dieses Gleichgewicht aus der Balance zu geraten droht, ist das Streit vorprogrammiert. Früher wurde er auf der Straße von wütenden Studenten ausgetragen. Heute, etwas smarter und unblutiger, jettet man von Hamburg über Berlin nach Essen und liest während der Reise die unerträgliche Auseinandersetzung in den Medien über die Medien. Die Masse schweigt. Was soll sie auch sagen angesichts unvorstellbarer Summen, die man zu zahlen bereit ist. Ohnmacht gegenüber lokalen oder globalen Finanzflüssen ist kein mediales Phänomen. Sinnhafter Einspruch abgelehnt.
Abgelehnt? Nun, wie zu Beginn angedeutet, ist der Essener Journalismus nicht sonderlich politisch. Auch wenn die Konzernführung rot eingefärbt ist. Vielmehr trachtet der WAZ-Konzern nach möglichst maximalem Gewinn. Das ist gut wenn man wirtschaftet. Habe ich in der Schule neben der WAZ gelernt. Soll hier aber nicht wichtig sein. Zumindest geben sich einige der WAZ gehörende Blätter recht konservativ, andere eher sozialdemokratisch. Das macht sich jedoch längst nicht so bemerkbar wie in der Springerpresse. Zudem agiert man bei in NRW regional, was man von den Berlinern und Hamburgern nicht behaupten kann. Dort rotiert die Meinungsmaschine und sie wird deutschlandweit rezipiert.
Seit Tagen sitzt das Thema auf der Titelseite der „Welt“. Der Meldungskasten mit krisengerechtem Logo versehen (wichtige Themen werden in den Medien symbolisiert). In einem daneben platzierten Kommentar liest man „Politische Macht und mediale Kontrolle gehören nicht in eine Hand. […] Eine derartige Medienmacht einer politischen Partei ist ein Stück Berlusconi-Kultur mitten in Deutschland, ein Skandal für sich.“
Ein Skandal für sich.