Malkontent & Enthusiastisch

»Ihr naht Euch wieder, schwankende Gestalten«

Fenster sind Löcher in Wänden. Wände sind Instrumente zum Schutz gegen draußen.

Fenster sind unter anderem Instrumente zum Herausschauen. Wände sind Vorbedingungen für Fenster. Aber zwischen beiden besteht ein Feedback.

Wände sind kahl und können übermalt werden. Wandmalereien sind „künstliche“ Fenster. Sie stellen vor, was sich durch das Fenster darstellt oder darstellen könnte, oder was man sich wünscht, dass sich darstellt.

Ausblick aus dem Fenster (Orientierung), gefolgt vom Vorstoß aus der Tür (orientiertes Engagement), gefolgt von der Rückkehr in die vier Wände (Einkehr). Dies ist der Rhythmus des menschlichen Lebens, und ohne Wände, Fenster und Türen kann der Mensch nicht sinnvoll leben. Sie sind lebenswichtige Instrumente.

Fenster sind Instrumente, um auf die Welt zu blicken, aber aus zwei Gründen mangelhafte Instrumente. Erstens sieht man durch das Fenster nur Phänomene, die nicht zu groß oder zu klein sein und die sich nicht allzu rasch bewegen dürfen.

Und zweitens hat das Fenster einen starren Rahmen und bietet nur eine spezifische und beschränkte Ansicht.

Die Absicht, mit der das Fernsehen entworfen wurde, war, einen neuen Typ von Fenster zu erzeugen.

Das „Wesen“ der Fernsehkiste ist eine neue Art von Fenster, wobei allerdings, wie Rene Berger richtig erkennt, sich die Röhre vom Fenster durch das Licht unterscheidet, das von ihr ausstrahlt. Das Kathodenlicht ist eines der wenigen Lichter auf Erden, das nicht einmal indirekt von der Sonne stammt, und hat daher einen anderen, einen kalten Charakter.

(Das Fernsehen) ist als verbessertes Fenster entworfen worden, und soll es diesem seinen Wesen entsprechen, muss es eine Wahrnehmungsform werden, die uns vom Modell des traditionellen Fensters befreit und der Wahrnehmung bisher kaum geahnte Möglichkeiten bietet.

Wenn „vorstellende Wahrnehmung“ die „prähistorische“ Wahrnehmungsform ist und „konzipierende prozessuelle Wahrnehmung“ die „historische“, dann kann man beim Fernsehen von der Möglichkeit einer „posthistorischen Wahrnehmungsform“ sprechen.

Die zum Zweck der Wahrnehmung manipulierten Phänomene werden von anderen manipuliert, nicht vom Empfänger. Der Empfänger bliebe also im hohen Maße (…) zur passiven Betrachtung verurteilt. Auf diese Art „Fensterwesen“ des Fernsehens nicht erschöpft; dazu wäre eine zusätzliche Änderung seiner Benutzung notwendig.

Sollte (…) das Fernsehen wie ein Fenster funktionieren, dann würde der Empfänger nach einer Tür suchen, um sich in der Welt zu engagieren, und mangels einer solchen Tür würde er versuchen, in die ihn umgebenden Wände Türen zu schlagen.

Zitate aus Vilem Flusser: „Fernsehen als Fenster zum Blicken auf die Welt“. So gedruckt in Navigationen Nr. 2.