Aus der kleinen offline Rubrik der Zeit – Zwischen „outerperformer“ und „gesellschaftlich relevantem Orientierungsmedium“
- „Das Jahr war noch nicht vorüber, da verkündete der deutsche Ableger der RTL-Gruppe bereits, er habe 2001 »die Marktführerschaft deutlich ausgebaut«. Im Börsendeutsch ist RTL damit ein »Outperformer«, in der Sprache der Medientheorie ein »gesellschaftlich relevantes Orientierungsmedium«. Der einstige Softpornokanal kämpft mit allen rhetorischen Mitteln um den Ruf als »seriöser Unterhaltungskanal mit Newskompetenz«. Gebetsmühlenartig repetieren Geschäftsführer Gerhard Zeiler und »Informationsdirektor« Hans Mahr ihre Erfolgsformeln, als wollten sie sich zurechtzupfen für die endgültige Vermählung mit der Bertelsmann AG. Die hält bereits zwei Drittel der RTL-Gruppe, des größten kommerziellen Rundfunkunternehmens Europas. Am Heiligen Abend kündigte Bertelsmann an, RTL komplett zu übernehmen, zunächst das 22-Prozent-Paket des britischen Pearson-Verlags. Das Pearson-Blatt Financial Times (»FT«) spekulierte, Bertelsmann werde als alleiniger Besitzer den freien Börsenhandel von RTL beenden und so ein Fenster schließen, das Einblick in die Geschäftspraktiken der Bertelsmänner gibt – die stets nach Outperformance und Orientierungsmedien streben, nicht immer aber nach Transparenz. Vielleicht ist der RTL-Deal – im Schatten der Angst vor dem Einstieg der Medienmoguln Malone und Murdoch im deutschen TV-Markt – Auftakt einer deutschen TV-Expansion. Laut »FT« interessiert sich Bertelsmann für die britischen Medienhäuser Granada und Carlton. RTL besitzt bereits 65 Prozent des britischen Senders Channel 5.“
Peter Littger; Die Zeit, 02/2002.