Das letzte Mal habe ich Onkel, Tante, Cousin und Cousine in der Stadt der Lebkuchen besucht, als Lars und ich, vom Gardasee kommend, mit gebrochener Antriebswelle eben dort zum Zwangsstop genötigt wurden. Nun, ja. das ist Jahre her und diesmal, sogar in einem Auto mit den Eltern, nutzte ich die Gelegenheit und ließ mich fachkundig von den (Tourismus-) Führern der Stadt durch das ehemalige Reichsparteitagsgelände führen (Ähem, ich kann an diesem Rechner die Thesaurus Funktion nicht aufrufen, sorry für die political incorrectness, mir fällt auf die Schnelle kein besseres Wort ein).
Jedoch gibt es wohl keinen anderen Ort, der die derart irrationale Gigantomanie der NSDAP besser ersichtlich werden lässt. Kurz zu den einzelnen Hinterlassenschaften: Da ist zunächst ein rund elf Quadratkilometer großes Gelände rund um das sumpfige Areal des Dutzendteiches. Der Rundgang beginnt an der Luitpoldarena, die vor alle Dingen der Ausübung des Totenkultes diente. In Veranstaltungen, die rund 50 Tausend SA- und SS-Mitglieder verfolgten, wird mir vor allem das Bemühen der Nazis deutlich, die Diktatur religiös zu begründen. Die Übergabe des nationalsozialistischen Geistes erfolgte durch das Berühren einer Fahne, die angeblich mit dem Blut putschender Nazis in München getränkt war. Auf den Fotografien im Hintergrund sieht man rund 25 Meter hohe Fahnenmasten gegenüber der Ehrenhalle. An einem der Masten befindet sich ein Fahrstuhl (!) der Leni Riefenstahl dazu diente, den „Triumpf des Willens“ möglichst imposant im Bild festzuhalten.
Die Kongresshalle soll an das römische Kollosseum erinnern. Sie wurde nie fertiggestellt. Rund 50.000 Parteiangehörigen sollte sie Raum bieten. Heute streiten sich Architekten, ob die geplante stützenlose Konstruktion eins derart riesigen Daches überhaupt realisierbar war. Auffallend bei der Kongresshalle: Von außen mit Granit verkleidet, innen billiger Backstein. Schein-Architektur. Wie vieles auf dem Gelände. Es ging hier um Inszenierungen.
Hinter der Halle beginnt die große Straße. Rund zwei Kilometer lang und 60 Meter breit diente sie lediglich Truppenaufmärschen. Bald merkte man, daß die Granitplatten bei Regen zu rutschig für benagelte Nazisohlen waren. Um peinliche Dominoeffekte zu vermeiden wurde jede Platte aufgeraut.
In meiner Hitliste der unsinnigsten Bauwerke ganz oben: Das deutsche Stadion. Platz für 400.000 (!!!) Zuschauer. Die Fassade wäre hundert Meter hoch gewesen. In den oberen Reihen hätte man die Sportler nicht mehr erkennen können. Aussage der Architekten: 1940 finden noch einmal olympische Spiele in Tokio statt. Danach werden sie eh` ausschließlich in Nürnberg ausgetragen. Ab dann wird der Sport an die Ausmaße des Stadions angepasst. 200 Meter Lauf mit 25 Kilo Marschgepäck, Gasmasken-Weitsprung. Kein Scherz. Das dazugehörige Lager für Sportler befindet sich auf dem Märzfeld, aber auch Gefangene und der Reichsarbeitsdienst wurden dort „untergebracht“. Randbemerkung zu den ach so arischen, deutschen Teilnehmern: Es wurden Flugblätter verteilt, auf denen die Teilnehmer angewiesen wurden, nicht zu trinken und sich nicht mit den (wenigen) anwesenden Frauen einzulassen. Schlägereien und Saufgelage waren natürlich an der Tagesordnung.